Couven-Guide

Apotheke

Die rekonstruierte „Adler-Apotheke“ symbolisiert die wechselvolle Geschichte des Hauses am Hühnermarkt.

Mit der Übertragung des Baugrundes an den Apotheker Adam Coebergh 1662 entstand mit Unterstützung des Rates die Adlerapotheke im „Coeberghischen Stockhaus“, die über vier Generationen im Besitz der Familie blieb. Martin Jakob Coebergh übergab die Apotheke seinem Mitarbeiter Andreas Monheim, der 1781 von Köln nach Aachen gekommen war. 1783 erwarb Monheim das Coeberghsche Haus und ließ es 1786 unter Beibehaltung der alten Bausubstanz durch Jakob Couven umbauen. Der Sohn des berühmten Architekten und Stadtplaners Johann Joseph Couven schuf auf dem mittelalterlichen Standort der Stadtwaage ein Stadthaus mit fünfachsiger Fassade in der typischen Verbindung aus Blaustein und Backstein.

Die Adlerapotheke blieb bis Ende des 19. Jahrhunderts im Besitz der Familie Monheim. Seit 1857 wurde hier neben Arzneien auch Schokolade produziert und verkauft, bis zu 400 Tafeln am Tage fertigte ein italienischer Chocolatier. Zu der Ausstattung der Apotheke gehört neben Mörsern, Waagen und Arzneigefäßen (italienische Majoliken des 17. und 18. Jahrhunderts, sog. Albarelli) auch eine astronomische Uhr mit der Signatur „Joh. Schmits, Horloger A Aix la Chapelle“.

Das Delfter Fliesenbild thematisiert die Flotte der V.O.C., der Vereinigten Ostindischen Compagnie, die, 1602 gegründet, bis 1795 bestand und neben vielen anderen Handelsgütern auch Kaffee, Tee und Schokolade nach Europa transportierte.

Kaminzimmer

Der prächtige Kamin wurde 1778 von dem italienischen Stukkateur Pietro Nicolo Gagini für das im Krieg zerstörte Landhaus Drimborn bei Aachen geschaffen. Im Stil des ausgehenden 18. Jahrhunderts ist ein üppiger plastisch ausgeformter Blumenkorb von Girlanden und Schleifen umkränzt.

Der Aachener Schreibschrank entstand um 1780. Der untere Teil ist als Kommode mit doppelter Schubladenanordnung ausgeführt und mit Füllhorn und Blattornament versehen. Ein Rollverschluss im Viertelzylinder, ebenfalls in reicher Ornamentschnitzerei, vermittelt den Übergang zum Aufsatzschrank. Die Schnitzereien der Türen des geschlossenen Aufsatzes zeigen Musikinstrumente – Jagdhorn, Viola, Trompete, Klarinette – und Rosengirlanden. Bekrönt wird das außergewöhnliche „Funktionsmöbel“ von einem für Aachener Rokokomöbel charakteristischen geschweiften Gesims (sog. „Aachener Nase“).

Eine französische Prachtpendule aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts ist mit feuervergoldeten Rocaille-Appliken versehen. Über das Glas unterhalb des Uhrwerks mit der Signatur „Tallon, A Paris“ ist ein plastisches Relief, wahrscheinlich mit einer Neptundarstellung, aufgelegt. Die reich geschmückte Pendule wird von einer weiblichen Figur auf einem Adler bekrönt.

Hofzimmer

Das „Hofzimmer“ erhält seinen Namen durch die zum kleinen Binnenhof sich öffnenden Fenster. Der große, goldene Empirespiegel gehört wohl bereits seit der Zeit Andreas Monheims zur Ausstattung des Hauses. Der Vitrinenschrank, in den 1960er Jahren den Museen der Stadt Aachen gestiftet, zählt zu den Meisterwerken der Aachener Möbelkunst des 18. Jahrhunderts. Über einem massiven Unterteil mit feiner Rocaille-Schnitzerei erhebt sich ein filigraner Vitrinenaufbau. Hinter erkerartigen Vorsprüngen und geschwungenem Sprossenwerk präsentiert sich eine Auswahl der Porzellansammlung des Couven Museums.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts vollzog sich ein tiefgreifender kultureller Wandel in Europa, der mit neuen Genussmitteln wie Kaffee, Tee, Schokolade sowie Tabak und exotischen Gewürzen eine Verfeinerung der Tischsitten mit sich brachte und damit auch die Innenausstattungen der bürgerlichen Wohnhäuser beeinflusste. Aufwändige Vitrinenschränke, wie sie vor allem in der Aachen- Lütticher Region im 18. Jahrhundert hergestellt wurden, präsentierten den Stolz der bürgerlichen Gesellschaft, das Porzellan. Das „weiße Gold“ galt als Inbegriff des höfischen Luxus, denn bis Anfang des 18. Jahrhunderts wurde Porzellan ausschließlich aus Ostasien (China, Japan) importiert. Um 1709/1710 gelangen Johann Friedrich Böttger (*1682 †1719) erste Versuche, Porzellan in Europa herzustellen. Aus diesen Bestrebungen, stets gefördert durch August den Starken, erwuchs schließlich die Meißener Porzellanmanufaktur, die bis heute qualitätsvollstes Porzellan produziert.

Dem Schrank gegenüber befindet sich ein reich geschnitzter Kamin aus dem Haus Mennicken in Eupen. Die typische Rocaille-Schnitzerei umrahmt ein Porträt einer Dame aus der Vaalser Familie Clermont, vermutlich Maria Elisabeth Sophia Clermont, geb. Emminghaus (*1733 †1783), in vornehmer Garderobe mit Spitzenkleid und pelzverbrämtem roten Umhang.

Innenhof

In dem kleinen Innenhof stoßen die drei Gebäude des Couven Museums aufeinander: das „Haus Monheim“, das Haus „Zum Lindenbaum“ und das Hinterhaus zum Hof. Im Gegensatz zum Vorgängerbau am Seilgraben („Haus Fey“), 1765-67 von Jakob Couven im Stil eines französischen Hôtel mit einem „Cour d’honneur“ vollendet, verzichtete Couven bei dem Umbau des „Coeberghischen Stockhaus“ 1786 auf die Anlage eines solchen Ehrenhofes.

Im mit regional typischen Blausteinplatten gepflasterten Binnenhof befindet sich zwischen den rustikalen Fenstergewänden, ebenfalls aus Blaustein, ein Brunnen mit einer italienischen Mamorinkrustation des 18. Jahrhunderts, gesäumt von zwei Reliefvasen aus gegossenem Eisen.

Zu den schönsten Erzeugnissen der niederländischen Fayencemanufakturen des späten 17. Jahrhunderts zählen die beiden „Cachepots“. Musizierende Putten inmitten eines farbenfrohen Blumenornaments in Orange, Grün und Kobaltblau zieren den Mittelfries. Die Henkel sind zu Voluten eingerollt und mit Maskaronen und plastisch ausgeformten Köpfen versehen.

Eine aus Ton gebrannte Gartenplastik, ehemals aus dem Garten des Feyschen Hauses am Seilgraben sowie die Steintreppe mit geschwungenem Eisengeländer ergänzen die Ausstattung des romantischen Binnenhofes.

Die erhaltenen Exponate können die ikonographische Bedeutung der Gartenarchitektur nur andeuten. Die sorgfältige Anlage der Gärten war seit dem 15. Jahrhundert ein wichtiger Bestandteil der höfischen Architektur. Nach den italienischen Gärten der Renaissance entwickelte sich der Barockgarten nach französischem Muster, zumeist mit allegorischem Skulpturenprogramm. Im Rokoko verlagerte sich der Schwerpunkt der Gartengestaltung, statt der Zentralachse als Kulisse für pompöse Machtaufzüge diente nun das „Cabinett“ als Bühne höfischer Spielereien.

Küche

Die Küche gibt einen Einblick in das alltägliche Leben des 18. und 19. Jahrhunderts. Der gusseiserne Herd aus der Eifel diente als Feuerstelle und Wärmequelle. Kessel, Siebe und Schöpflöffel aus Messing und Kupfer umsäumen ihn in dem mit holländischen Fliesen gekachelten Rauchfang. Weitere Kochgeräte und Geschirr aus Zinn, Messing, Kupfer und Keramik komplettieren die Küchenausstattung.

Im derben Vitrinenschrank aus Eichenholz wird Steingutgeschirr im bekannten „Indisch-Blau“ Dekor, einer abstrakten Form der frühen Meißener Porzellandekore, sowie eine prächtige Kaffeemühle aus dem Aachen-Lütticher Raum des 18. Jahrhunderts bewahrt. Der gusseiserne Kaffeeröster, die Kaffeemühle und das Geschirr mit großen, bauchigen Kannen, kleinen Tassen und Koppchen verweisen darauf, dass sich das zunächst höfische Luxusgetränk Kaffee, ebenso wie Tee und Schokolade, im 18. Jahrhundert in ganz Europa verbreitet hatte und nun auch zum bürgerlichen und bäuerlichen Leben gehörte. Die Übernahme solch höfischer Lebensstrukturen in das bürgerliche Umfeld wird im Couven-Museum immer wieder sichtbar.

Die goldglänzenden, zumeist durch gravierte oder getriebene Ornamente verzierten Küchengeräte dürfen jedoch nicht über die Härte der häuslichen Arbeit hinwegtäuschen. Die Pumpe am Blausteinbecken, der Kohleherd, aber auch die schweren Bügelgeräte aus Eisen und Messing verdeutlichen, dass die Haushaltsführung im 18. und 19. Jahrhundert mit schweren, körperlichen Anstrengungen verbunden war.

Directoire-Zimmer

Das sog. „Directoire-Zimmer“ spiegelt den Einrichtungsstil der Zeit nach der französischen Revolution wider. Die Kunst der Napoleonischen Ära war geprägt von Antikenzitaten und einer ästhetischen Formenstrenge. Umrahmt von einer Aachener Türeinfassung der Empirezeit mit figurenbekrönten Pilastern und zwei stilisierten Drachenwesen, dominiert der mächtige gusseiserne „Kanonenofen“ den Raum. Sowohl der Feuerschutz aus Messing als auch die beiden Konsoltische sind mit plastischen Profilköpfen, zum Teil mit Lorbeerkränzen, die auf antike Münzbilder zurückgehen, geschmückt. Zum zeittypischen Interieur gehören auch die strengen Eichenstühle und die Bronzekandelaber mit weiblichen Stützfiguren, sog. Karyatiden.

Das Ambiente des Directoire-Zimmers wird entscheidend durch die großformatigen Leinwandgemälde des späten 18. Jahrhunderts geprägt. Die fünf Landschaftsgemälde weiten den Raum optisch durch einen idealisierten Blick „nach außen“. Alle Gemälde thematisieren Leben und Arbeit an Fluss- und Küstenlandschaften – so holen Fischer auf Booten und am Ufer ihre Netze ein, andere fischen mit Angeln und Keschern, eine Frau hält den Korb, in dem der Fang gesammelt wird.

Ein Gemälde zeigt das Zusammentreffen einer Asiatin und eines Orientalen am Ufer. Trotz der exotischen Kleidung – die Asiatin mit hochgesteckter Frisur, einem kimonoartigen, blauen Kleid und einem fernöstlichen Schirm, der Orientale mit Turban, grünem Umhang und einem Dolch am Gürtel – offenbaren die europäischen Gesichtszüge der Dargestellten die artifizielle Situation: das exotische Ambiente dient als Bühne der europäischen Rokokogesellschaft, das Aufeinandertreffen der Kulturen wird in Rollenspiel und Kostümierung verdeutlicht. Bei den gegenüberliegenden Gemälden lässt sich in der italienisch anmutenden Flusslandschaft das christliche Motiv der „Flucht nach Ägypten“ mit der vor dem aufziehenden Gewitter fliehenden Familie im Vordergrund und „Christus als guter Hirte“ mit dem für diese Rokokogemälde fast obligatorischen Schäfer und seiner Herde erkennen.

Oberes Fliesenzimmer

Mit der Renovierung des alten „Haus zum Lindenbaum“ in den 1960er Jahren wurde ein würdiger Ausstellungsort für die kostbare Sammlung niederländischer Fliesenkeramik, die 1982 von dem Aachener Sammlerehepaar Peter und Irene Ludwig gestiftet wurde, eingerichtet. Aufgeteilt in zwei eigene Räume, präsentiert sich die Sammlung herausragender Fliesenbilder im oberen Raum. Der untere Raum zeigt, einem Musterbuch gleich, eine große Auswahl an verschiedenen Fliesendekoren.

Im oberen Raum, über eine Holztreppe aus einem alten Haus in der Peterstraße erreichbar, finden sich edle Fliesenbilder, überwiegend in Manganbemalung. Die Fliesenbilder in der Art der
„Vier Jahreszeiten“ wurden in der Rotterdamer Manufaktur Aalmis gefertigt. An die Rokokomalerei Antoine Watteaus und François Bouchers angelehnt, buhlt in der Allegorie des Frühlings ein junger Galan mit Dudelsack und Hund um die Gunst der Schäferin, die sich, einer Blumengöttin gleich, auf einen Korb stützt, aus dem Frühlingsblumen quellen. Den Sommer symbolisiert die reife Korngarbe, die der Gruppe von Schäfer und Schäferin im zweiten Bild beigefügt ist. Im Herbstbild schüttet die Schäferin, nun als Göttin Ceres, Trauben aus dem Hut ihres Begleiters, der sie mit dem rechten Arm umfängt, während seine Linke nach den Früchten greift. Ein Rebstock mit Trauben und Blättern begrenzt den unteren Bildrand. Der Zyklus der Jahreszeiten schließt mit einer kargen Winterlandschaft, in der sich zwei Putti an einem Feuer wärmen, ein Dritter nähert sich mit einem Bündel Feuerholz.

Die vergnüglichen Allegorien der Jahreszeiten sind in girlandengeschmückten Architekturrahmen eingefasst, an deren Unterseite sich die Signatur des Rotterdamer Fayencemalers Johannes Aalmis des Jüngeren (* 1714) befindet. Aalmis ist als Mitglied des Vorstandes der St. Lucas Gilde von 1740 bis 1753 belegt, von 1755 bis 1790 führte er das Familiengeschäft, das vor allem für seine großen Wandbilder in Manganviolett bekannt wurde.

 

Unteres Fliesenzimmer

Im unteren Raum sind Fliesen des 16. bis 19. Jahrhunderts wie in einem Musterbuch zu je vier Fliesen in einem Rapport angeordnet. Die ältesten Stücke stammen aus dem asiatisch-islamischen Raum (sog. Lüsterfliesen, Persien, 16. Jahrhundert). Fliesen als Wandverkleidung gelangten im 16. Jahrhundert über die Spanier, die durch die Einflüsse der islamischen Kultur geprägt waren,in die Niederlande. Im späten 17. Jahrhundert und frühen 18. Jahrhundert erreichten die niederländischen Manufakturen, vor allem in Rotterdam und Delft, ihren künstlerischen Höhepunkt.

Neben Dekoren in kobaltblauer Malerei auf weißem Grund, die auf ostasiatische Porzellane als Vorbild zurückgriffen, setzten sich im 18. Jahrhundert manganviolette Dekore durch. Originelle Zeichnungen wie verspielte Putten oder balancierende, Kopf stehende Akrobaten sind ebenso vertreten wie typisierte Landschaften mit Windmühlen, Schiffen und Bauernhäusern, biblische Szenen und Allegorien. Ornamente wurden einem Textilrapport gleich zu Mustern auf vier Fliesen zusammengefügt, die so unendlich fortgeführt werden konnten. Mittels Papierschablonen, in die die Umrisslinien der Zeichnungen perforiert wurden („Sponsen“), übertrug man die Zeichnung mit Kohlestaub auf die mit einer Zinnglasur überzogenen Fliesen und zog sie anschließend mit dünnen Pinseln nach.

Typisch für die Gegend um Tongeren sind die braunen Fliesen mit beiger Bemalung, hier mit dem Flämischen Löwen. Maurische Fliesen hingegen zeigen eine exotische Tierwelt, so zum Beispiel ein Kamel.

Bei den biblischen Themen ist eine Kreuzigungsdarstellung ebenso hervorzuheben wie die Hochzeit zu Kana, die mit dem Bibelverweis IOAN:2:4 belegt ist. Eine Darstellung König Davids ist mit EST:5:7 betitelt.

Kleiner Salon

Man betritt den kleinen Salon durch eine geschnitzte Flügeltür aus dem Wespienhaus. Die sog. „Kölner Decke“ stammt aus dem späten 17. Jahrhundert, d. h. der Entstehungszeit des Coeberghischen Stockhauses.

Die Deckenkonstruktion verweist auf die mittelalterliche Bauweise, die die Raummaße von den Tragebalken abhängig machte. Im großen Festsaal hingegen lässt sich die weiterentwickelte Deckenkonstruktion des 18. Jahrhunderts erkennen, die auf den Unterzug verzichten konnte und so großzügige Raummaße ermöglichte.
Die Régence-Holzvertäfelungen sind Spolien der barocken Rathausausstattung. Zusammen mit den zwei geschnitzten Konsolen mit Spiegel und Trumeaubildern aus dem 1734 für den Aachener Bürgermeister von J. J. Couven entworfenen und im Krieg zerstörten Kerstenschen Pavillon geben die erhaltenen Einzelstücke einen Eindruck der prachtvollen Gestaltung der im Krieg zerstörten Aachener Rokoko-Bauten.

Der Raum wird von dem Vitrinenschrank im Louis-Seize-Stil geprägt. Ende des 18. Jahrhunderts wandelte sich die Ornamentik von der Rocaille des Rokoko zur Girlande des Louis-Seize. Die feine Schnitzerei überzieht Türflügel und Eckelemente mit einem Gespinst aus Ranken, Schleifen und Bändern. Der Vitrinenaufsatz ist ebenfalls mit Schleifen- und Rankenwerk geschmückt, das geschwungene Gesims wird von einem fragilen Kranz bekrönt.

Von herausragender Bedeutung in der Möbelkunst des 18. Jahrhunderts ist die Aachener Kommode mit Uhr. Über einem massivem Unterbau mit vier Schubladen, die mit flacher Rocaille-Schnitzerei versehen sind, erhebt sich eine Schreibkassette mit eigentümlichen Eckvoluten. Das Möbel scheint geradezu in den Uhrenaufsatz zu „wachsen“, tatsächlich handelt es sich um eine in die Kommode integrierte Standuhr, deren Pendel und Gewichte in Aussparungen hinter den Schubladen herabhängen.

Festsaal

Der große Festsaal des Couven Museums spiegelt das bürgerliche Selbstverständnis zum Ende des 18. Jahrhunderts wider. Wie in der höfischen Schlossarchitektur errichtete die bourgeoise Gesellschaft repräsentative Räume – Festsäle und Salons – in denen Kammerkonzerte und Empfänge stattfanden. Der Saal wird durch großzügige Flügeltüren mit Supraporten aus dem ehemaligen Kerstenschen Pavillon betreten. Wie die auf Entwürfe von Johann Joseph Couven zurückgehenden Vertäfelungen sind sie in der typischen Aachener Rokokoschnitzerei gestaltet.

Während die fünf Fenster zum Hühnermarkt hin die Aussicht auf das mittelalterliche Aachen mit dem Granusturm öffnen, vermitteln die großformatigen Leinwandgemälde des 18. Jahrhunderts den Blick in idealisierte Landschaften. Idyllische Szenen, ganz im Sinne der „Folies-Bergère“, jener Inszenierung von einfachem Leben, der sich die Mitglieder der Gesellschaft im Rokoko lustvoll hingaben, bestimmen die Gemälde. Geprägt von der verspielten Malerei eines Watteau oder Boucher, schufen Malerwerkstätten in Frankreich und den Niederlanden zahllose solcher Landschaftsgemälde. Während der Restaurierung des Couven Museums 1999-2002 wurden die Gemälde umfangreichen konservatorischen Maßnahmen durch die Kölner „Gruppe für Konservierung und Restaurierung“ unterzogen. Die speziell für das Couven Museum entwickelte Montage gewährleistet die Hinterlüftung der Gemälde und bewahrt zugleich die wandnahe Präsentation dieser tapetenartigen Raumdekorationen. Der Lütticher Vitrinenschrank, bereits im Saal der Familie Ludwigs- Fey im ersten Couven Museum ausgestellt, fügt sich, im Gegensatz zu den homogenen Aachener Möbeln, deutlich aus zwei Teilen zusammen: einem massiven Unterbau und einem zurückgesetzten Vitrinenaufsatz.

Chinesisches Kabinett

Stellvertretend für die Chinamode des 18. Jahrhunderts ist das „chinesische Kabinett“ eingerichtet. Seit den Entdeckungsreisen Marco Polos im 13. Jahrhundert begeisterte sich die europäische Gesellschaft für die asiatische Kultur. Die teure Einfuhr von asiatischen Kulturgütern, vor allem dem „weißen Gold“, dem Porzellan, das dem Hochadel vorbehalten war, setzte weitreichende Imitationsprozesse in Gang. Die Entwicklung von weißem Porzellan in Europa zu Beginn des 18. Jahrhunderts ging mit einer ausgeprägten Chinamode einher. Sog. „Chinoiserien“ waren ein beliebtes Ornament in der Möbelkunst, der Angewandten Kunst, aber auch in der Mode.

Neben exotischen Einrichtungsaccessoires wie der Leuchte in Form einer chinesischen Pagode werden im „chinesischen Kabinett“ auch japanische Schwertstichblätter, sog. Tsubas, ausgestellt. Diese Exponate der nahezu unbekannten Sammlung ostasiatischer Kunst der Museen der Stadt Aachen dokumentieren ein wichtiges Kapitel der Sammlungsgeschichte, verweisen aber auch auf die kulturelle Affinität zwischen Europa und Asien seit dem 18. Jahrhundert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war der ostasiatischen Kunst im damaligen Kunstmuseum in der Komphausbadstraße eine eigene Abteilung gewidmet. Nach empfindlichen Kriegsverlusten der alten Bestände erhielten die Aachener Museen mit der Stiftung der Sammlung Max Kirdorf (*1878 †1923) durch seine Frau Adela Luise Kirdorf, geborene Strouben-Suermondt (*1882 †1958), neben zahlreichen Graphiken auch die umfangreiche Tsuba-Sammlung, die mit einer Auswahl im „chinesischen Kabinett“ präsentiert wird.

Die kunstvoll gearbeiteten Schwertstichblätter erfreuten sich seit dem 18. Jahrhundert großer Beliebtheit bei europäischen Kaufleuten oder Reisenden, die mit der asiatischen Kultur in Berührung kamen. Wie das ostasiatische Porzellan und die chinesischen Rollbilder aus Papier galten sie als kostbare Geschenke und „Souvenirs“ der Rokoko-Zeit.

Gläserflur

Der kleine Flur ist mit großformatigen Leinwandgemälden des 18. Jahrhunderts ausgestattet. Auf den Landschaftsbildern, die sich über die linke Wand bis zur schmalen Türseite ziehen, wird eine vermutlich niederländische Landschaft geschildert. In der linken Bildszenerie bewegen sich Wanderer mit Hunden auf einem schmalen Weg in Richtung des im Hintergrund gelegenen Waldes. Im rechten Teil des Gemäldes sind Fischer an einem See und eine Frau mit ihrem Kind auf dem Rücken zu sehen, im Hintergrund liegt ein Dorf.

Die konservatorische Maßnahme 2000-2001 ermittelte weitreichende Übermalungen der 1950er Jahre, in denen die Gemälde aus den Niederlanden und Belgien in das Couven Museum gelangten und der Raumsituation angepasst wurden. Wie die Gemälde des Festsaales wurde auch für den sog. Gläserflur eine spezielle Montagetechnik durch die Kölner Restauratoren entwickelt, die eine wandnahe Anbringung der Gemälde auf Spannrahmen bei gleichzeitiger Gewährleistung der Hinterlüftung ermöglichen. Die Gemälde der rechten Raumseite, die die Glasvitrine einrahmen, zeigen verschiedene Tiere am Ufer. Links der Vitrine sind ein Schwan, ein Rebhuhn und ein blauer Vogel dargestellt, auf dem rechten Gemälde schreckt ein kleiner weißer Hund den am Ufer weilenden Schwan und die Enten auf dem Gewässer auf. Die Darstellung der Tiere ist von großer Natürlichkeit und malerischer Qualität. Sie entstammen eindeutig einer anderen Werkstatt als die übrigen Landschaftsbilder des Couven Museums.

In der zentral gelegenen Vitrine werden geschliffene Gläser des 16.-18. Jahrhunderts ausgestellt. Die Gläser und Pokale sind überwiegend mit Jagdmotiven, bisweilen mit Wappen oder Sinnsprüchen verziert. So ist die Darstellung einer Hirschjagd mit Hunden und berittenen Jägern mit „La peine suit les plaisirs“ umschrieben, das Motiv eines auf einem Hahn reitenden Mannes ist mit der Beischrift „Der Weiber untreu macht solche reitterey“ versehen.

Antekammer

Das schmale Vorzimmer des Grünen Salons wird durch eine einflügelige Tür mit Supraporte aus dem Kerstenschen Pavillon betreten. Inmitten des reichgeschnitzten Rahmens ist eine dralle Schönheit mit entblößter Brust, einem Perlendiadem im blonden Haar und einem Pfeil in der linken Hand dargestellt.

Die Antekammer ist mit gefälligen Rokoko-Gemälden ausgestattet. In verspielten Ornamentkartuschen mit Blumengirlanden wird eine Frau mit Korb in ländlicher Tracht vor einem Turm und einem Dorf im Hintergrund, ein Hirte mit seinem Vieh und eine auf einem Ochsen reitende Frau sowie ein Schäfer mit zwei Schafen und einer Ziege vor unbestimmter Architektur mit Turm dargestellt. Die auffälligen Girlanden und die einheitliche Farbgebung bescheinigen die Herstellung in einer Werkstatt, die jedoch aufgrund der typisierten Ausführung des beliebten Rokoko-Themas nicht weiter bestimmt werden kann. Wie die anderen Leinwandgemälde des Couven Museums diente diese Art von Bildern als tapetenartiger Wandschmuck. Raumfüllende Großformate mit wohlgefälligen Themen illusionierten sowohl eine optische Raumvergrößerung als auch herrschaftliche Raumgestaltung, die sich an die Gobelins der fürstlichen Häuser anlehnte.

Der Vitrinenschrank stammt aus der Aachener Region und ist dem späten 18. Jahrhundert zuzuordnen, die Formensprache ist gegenüber den älteren Stücken der Möbelsammlung deutlich stilisierter. Die für die Aachener Möbelkunst um 1750/60 so typische ausdrucksstarke Rocaille-Schnitzerei verliert sich in der Spätzeit in flachen, symmetrischen und reduzierten Ornamenten.

Grüner Salon

Im Grünen Salon befindet sich ein weiterer Aachener Vitrinenschrank des späten 18. Jahrhunderts. Die Türen des Unterschrankes sind mit geschnitzten Kartuschen verziert, den Abschluss des geschweiften Giebels bildet ein abstrahiertes, plastisch geschnitztes Wappen.

Über dem Kamin mit Mamoreinfassung hängt ein Gemälde mit reich geschnitztem Rokoko-Rahmen aus Eichenholz, der von einem Maskaron und einem Blumenkorb bekrönt wird. Das Leinwandgemälde des Aachener Malers Joh. Chrysant Bollenrath stellt Zeus mit dem zu ihm aufschauenden Ganymed dar. Zeus, bekleidet mit einem Tuch, das seine rechte Schulter freilässt, zu seinen Füßen ein Bogen und ein Kästchen mit Pfeilen, stützt sein Kinn nachdenklich auf die rechte Hand, was der Darstellung einen melancholischen Charakter verleiht.
Zwischen den Fenstern hängt ein aufwändiger Rokoko-Spiegel, dessen raumgreifende, florale Schnitzerei farbig gefasst und vergoldet ist.

Das auffälligste Objekt des Grünen Salons ist das großformatige, chinesische Papierbild (um 1770/80). Die Darstellung verweist wiederum auf den europäisch-asiatischen Kulturaustausch im 18. Jahrhundert. Der chinesische Maler schildert die ihm vertraute Landschaft souverän in der traditionellen, aquarellartigen Malweise. Unsicher hingegen ist er in der Ausführung der europäisch geprägten Architektur und der sich dort aufhaltenden Figuren, wahrscheinlich europäische Kaufleute oder Diplomaten. Perspektivsprünge und eine fast comicartige, reduzierte Ausführung der europäischen Physiognomie zeigen die Schwierigkeit bei der Darstellung des Unbekannten, des Exotischen. So wie die europäischen Porzellanmaler des 18. Jahrhunderts die asiatische Formensprache nur modifiziert wiedergeben konnten, weil sie die Ikonographie nicht verstanden, so scheitert der chinesische Maler bei der Illustration der Europäer und ihrer Architektur in der asiatischen Landschaft.

(ehemals AACHENER KABINETT)

Der kleine Kabinettraum ist mit einem Aachener Sekretär und einem Kabinettschrank eingerichtet. Der Wäscheschrank auf geschwungenen Füßen mit reicher Rocaille-Schnitzerei stammt aus der Sammlung Nelleßen, die Wappen auf den Türflügeln verweisen auf die Familie Schleicher-Lynen aus Stolberg, so dass die Herstellung in der alten Kupferstadt Stolberg Ende des 18. Jahrhunderts zu vermuten ist. Für das Jahr 1571 ist die Gründung eines ersten Kupferhofes in Stolberg durch Leonard Schleicher belegt, die Verbindung der beiden einflussreichen Familien Schleicher und Lynen dominierte fortan das örtliche Kupfergewerbe. In seiner Ornamentik – den geschwungenen Stützen, der flachen Rokoko-Schnitzerei und dem geschweiften Gesims – ist der Kabinettschrank an die Aachener Vorbilder angelehnt, jedoch erreicht er nicht die Präzision und Eleganz der Aachener Möbelkunst.

Die im Schrank präsentierten historischen Puppen und Accessoires geben dem Raum seinen Namen. Auf Nachfrage bei dem Personal kann dieser zur näheren Betrachtung für Besucher und Besucherinnen geöffnet werden.

Guckkastenraum

Die auf den Fensterbänken präsentierten Guckkästen geben dem Raum seinen Namen. In eigens eingerichteten Kästen können die zarten Kupferstiche des 18. Jahrhunderts, die durch Spiegeleffekte eine perspektivische Wirkung illusionieren, betrachtet werden. Die bis ins 19. Jahrhundert beliebten „Guckkastenbühnen“ finden sich heute nur noch in wenigen Museen, so zum Beispiel Nürnberg, München, Berlin, Kassel und Aachen.

Neben zwei biblischen Themen – der Geburt Christi und der Anbetung der Magier – sind es vor allem bühnenartige Themen der Rokoko-Gesellschaft. Titel wie „Comoedie im Gartenpavillon“ oder „Spaziergang bei einer Fontaine“ schildern den Müßiggang adliger Damen und Herren in zeittypischer Kleidung in der Architektur des 18. Jahrhunderts. Andere Szenen wie die „Hirschjagd“, bei der eine Jagdgesellschaft zu Pferde mit Hunden das Rotwild treibt, oder das „Laubhüttenfest“, das einen Maskenball mit Pierrot in einer Theaterarchitektur schildert, zeigen verschiedene Arten des Zeitvertreibs der adligen Gesellschaft der Rokoko-Zeit. Unter dem Titel „Freymaurerloge“ gewährt ein Guckkastenszenario Einblick in diesen mystischen Geheimbund, der nach der Gründung der Großloge von London 1717 zunehmend Verbreitung fand. 1737 firmierte sich die „Loge d’Hambourg“, später bekannt unter der Bezeichnung „Absalom“, die durch Kronprinz Friedrich von Preußen gefördert wurde. Im Guckkasten beschäftigen sich Männer in edler Garderobe mit Dreispitz mit wissenschaftlichem Gerät, im Vordergrund sieht man einen Freimaurer mit astronomischen Instrumenten, wohl einer Armillarsphäre, dahinter vermessen zwei Personen einen Globus mit einem Zirkel.

Sämtliche Bühnenbilder erzeugen bereits durch die Motivwahl eine Perspektivwirkung: Wie bei den in die Tiefe führenden Gartenlandschaften oder Architekturfluchten wird auch bei der „Freymaurerloge“ durch die Besetzung verschiedener Bildebenen der Einblick in einen perspektivischen Raum illusioniert.

Silberkabinett 

In der großen Raumvitrine wird eine Auswahl an Silbergerät des 18. Jahrhunderts aus der Sammlung Matthéy präsentiert. Der gebürtige Wuppertaler Teo Matthéy (*1901 †1989) war als Tuchgroßhändler in Aachen tätig, sowohl sein Haus in der Theaterstraße 67 als auch seine beachtliche Kunstsammlung vermachte er der Stadt Aachen. Nach einer Sonderausstellung 1989 im Suermondt-Ludwig-Museum werden nun im Couven Museum erstmals wieder Exponate aus der Sammlung Matthéy in einem größeren Zusammenhang ausgestellt.

Kostbare Kaffee- und Schokoladenkannen sowie Tee- und Zuckerdosen aus Silber sind mit zwei großen Kerzenleuchtern zu einer Tafel arrangiert. Besonders raffiniert ist das englische Tea-Set des Londoner Silberschmieds Samuel Taylor (1749), das zwei Dosen für indischen und chinesischen Tee sowie eine Deckelschale für Zucker in einem lederbezogenen Holzkoffer mit Beschlagwerk aufbewahrt. Chocolatièren mit seitlichem Holzgriff in der typisch bauchigen Form des Rokoko mit getriebenem Rocaille-Ornament aus Frankreich und Piemont (Giovanni Fino, um 1780) sind ebenso vertreten wie eine große Empire-Kaffeekanne, wohl Brest, nach 1780. Auf drei sich verjüngenden, kannelierten Füßen erhebt sich die elegante Kanne mit getriebenen Girlanden und ovalen Reliefauflagen mit Profilansichten antiker Imperatoren. Die Tülle ist mit einem plastisch ausgeformten Maskaron verziert, der Griff aus schwarzem Ebenholz mit geschnitzten Girlanden versehen. Ein Meißener Porzellankrug um 1720 mit Silbermontierung zeigt die Verbindung der beiden kostbaren Materialien in künstlerischer Vollkommenheit.

Das edle Silbergerät verweist sowohl auf die Tradition der herrschaftlichen Silberkabinette in der frühen Neuzeit, deren Reichtum als Indikatoren der Macht galten, als auch auf die Wertschätzung der neuen Heißgetränke Kaffee, Tee und Schokolade, die man in kostbaren Kannen, Dosen und Tassen kredenzte.

Empirezimmer

Die Schauräume des zweiten Obergeschosses dokumentieren den modischen Wandel des beginnenden 19. Jahrhunderts. Wie in der klassizistischen Architektur veränderte sich auch die Formgebung der Möbel und Inneneinrichtungen. Strenge symmetrische Formen mit Zitaten antiker Ornamentik und edle Materialien lösten die beschwingten Formen des Rokoko ab. Der große Schreibschrank mit eingebautem Musikwerk steht stellvertretend für den Empirestil. Die gerade, schlichte Form des Möbels wird im Inneren des Schreibfaches mit Intarsien verschiedener Hölzer, die einen perspektivischen Raum illusionieren, aufgelockert. Über der Sitzgruppe mit Sofa, Tisch und Stühlen hängt ein Familienbildnis des frühen 19. Jahrhunderts, das die Mitglieder der Familie von Coels von der Brügghen mit zeittypischer Kleidung darstellt. Weitere Portraits zeigen den Badearzt Dr. Gerhard von Reumont (*1765 †1828) und seine Frau.

In der Tischvitrine sind verschiedene Fächer und Taschen mit Perlstickereien ausgestellt. Diese Accessoires trug die Dame um 1820 ebenso wie die reich verzierten „Bukett Halter“ zu ihrer edlen Garderobe – zumeist lange Kleider aus schweren Samtstoffen mit Spitzenkragen und Schleifen, die mit Seidenhandschuhen komplettiert wurde – und den kunstvollen Flechtfrisuren, wie die Portraits des Jacques Louis David Schülers Johann Baptist Bastiné (*1783 †1811) und anderer Künstler des 19. Jahrhunderts belegen.

Das Kartenspiel mit Darstellungen französischer Soldaten ist ein Zeugnis der Napoleonischen Besatzungszeit, die die rheinische Kultur nachhaltig beeinflusste. Nicht nur die französische Mode lässt sich in Portraitgemälden und Illustrationen zu Beginn des 19. Jahrhunderts nachweisen, auch im rheinischen Sprachschatz haben sich bis heute Relikte der damaligen französischen Amtssprache erhalten.

(ehemals Landschaftszimmer)

Das Landschaftszimmer erhält seinen Namen durch die umlaufenden Leinwandgemälde des späten 18. Jahrhunderts. Wie die anderen großformatigen Gemälde wurden die Landschaftsbilder in den 1950er Jahren aus den Niederlanden und Belgien für das Couven Museum erworben und in die Räumlichkeiten eingepasst. Wenngleich die heutige Situation nicht die ursprünglichen Bedingungen erfüllt, so erschließt sich dem Betrachter dennoch ein beeindruckender Panoramablick in eine typisch niederländische Landschaft.

An der linken Seite beginnt die Schilderung des ländliche Lebens mit einem Mädchen in Begleitung eines Hundes an einer Brücke, auf die ein Zweispänner zufährt, während am Ufer, vor einem Anwesen mit Heuwagen und Pferden, Kühe weiden. In der nächsten Szene kommt ein mit Gütern beladener Wagen dem Betrachter entgegen, begleitet von einem Kiepenträger. Im Hintergrund beschreitet eine Frau mit einem Korb auf dem Kopf den in einen Wald führenden Weg. Die nächste Geschichte erzählt von den Geschehnissen am Fluss. Man erkennt verschiedene Schiffe, ein Segelboot, eine Fähre, die eine Kutsche über den Fluss transportiert. Die folgende Szene erinnert an das Motiv der „Flucht aus Ägypten“: Ein Mann und seine auf einem Esel reitende Begleiterin passieren die kleine Brücke über einem Wasserfall. Am anderen Ufer ist ein Hirte mit seinen Schafen und einem Hund erkennbar. Im anschließenden Bild betrachten zwei elegante Herren das Wegesschild am Fluss, im Hintergrund erreichen zwei Reiter ein auf einer Anhöhe gelegenes Gasthaus. Das letzte Gemälde schließlich zeigt rastende Wanderer am Wegesrand, an denen ein Mädchen mit einem Korb vorbeizieht. Ein Hund nimmt bei den Wagenspuren auf dem in das rückwärtig gelegene Dorf führenden Weg Witterung auf. Während am Fluss die Fischer ihre Schleppnetze zwischen ihrem Boot und einem Jungen am Ufer ausbreiten, erkennt man im Hintergrund eine Gesellschaft beim „Picknick“.

Biedermeier

Der Begriff „Biedermeier“ bezeichnet den vor allem in Deutschland und Österreich verbreiteten Stil der Zeit zwischen dem Wiener Kongress 1815 und der Märzrevolution 1848. Bedingt durch die seit den Napoleonischen Kriegen fehlenden Mittel und die durch die Kontinentalsperre erschwerte Materialbeschaffung entwickelte sich eine nüchterne Strenge und sachliche Formgebung, die den Rückzug in die kleinbürgerliche Behaglichkeit begleitete. Schlichtheit und Zweckmäßigkeit bestimmten die Inneneinrichtungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Die Vorliebe für Symmetrie zeigt sich vor allem bei den Möbeln, dem obligatorischen Vitrinenschrank mit Glas und Porzellan und der Sitzgruppe, bestehend aus Sofa, Tisch und Stühlen.

Das Familienportrait über dem Sofa schildert das bürgerliche Selbstverständnis der Biedermeierzeit. Als Demonstration des Familiensinns sind die Eltern im Kreise ihrer Kinder vor Portraitgemälden dargestellt, die eine Ahnin, wohl die Großmutter, die Hausherrin in der Blüte ihrer Jugend und zwei betende Kleinkinder zeigen. An den Portraitierten fallen neben der zeitgenössischen Garderobe vor allem die Schmuckstücke der Dargestellten auf. So trägt die Mutter Ringe an beiden Händen, Ohrringe und eine Brosche, ihre Töchter ebenfalls Ohrringe und Broschen. Der Vater hat einen Ring am rechten Zeigefinger und der ältere Sohn, in Profilansicht am rechten Bildrand, neben einer Nadel am Hemd drei Ringe, die sich als Freundschaftsringe (sog. „posy-Ringe“) deuten lassen. Die Mütze und Schärpe des Vaters weist auf die Mitgliedschaft in einer Verbindung hin.

Das Familienportrait bekräftigt das bürgerliche Ideal des Biedermeiers, das der Karlsruher Literat Victor von Scheffel (*1826 †1886) 1848 mit der Schilderung seiner Philistertypen Biedermann und Bummelmeier karikiert hat.